Das Thema Reparatur mit Gebrauchtteilen nimmt gerade über unsere Branche hinaus in breiter Öffentlichkeit Fahrt auf. Noch aber sind lange nicht alle Fragen geklärt, wie diese Reparaturmethode sinnvoll in der Praxis umgesetzt werden kann. Um von vorne herein Fehlentwicklungen zu verhindern, unter denen dann insbesondere die Partnerbetriebe zu leiden hätten, haben wir öffentlich Stellung bezogen. Unsere Pressemitteilung, über die bereits Schaden.News berichtet hat, finden Sie nachfolgend im Wortlaut.
Pressemitteilung des BVdP e.V. vom 11.06.2024
Reparatur mit Gebrauchtteilen bei KFZ: eine umfassende Betrachtung
Der BVdP befürwortet generell sinnvolle Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit bei der Reparatur von Unfallschäden. Dabei liegt unser besonderes Augenmerk darauf, dass entsprechende Maßnahmen zum einen sinnvoll von den Reparaturfachbetrieben umgesetzt werden können und zum anderen tatsächlich zur notwendigen Nachhaltigkeit führen. Dies verdeutlicht nicht zuletzt die gemeinsame Initiative der Spitzenverbände ZDK, ZKF, BFL und BVdP zum Thema Nachhaltigkeit.
Aktuell gewinnt die Diskussion um den Einsatz von Gebrauchtteilen anstelle neuer Ersatzteile als vermeintlich kosteneffiziente und umweltfreundliche Alternative zusehends an Popularität. Unseres Erachtens besteht hier allerdings noch großer Klärungsbedarf, denn diese Methode wirft eine Vielzahl von Fragen auf, denen sich Versicherungen, Werkstätten und deren Kunden stellen sollten:
Kundenkommunikation?
Wer kommuniziert mit dem Kunden über eine Reparatur mit Gebrauchtteilen und deren Berechtigung bzw. Qualität? Für die Werkstätten ist das kaum leistbar. Hier sehen wir eindeutig die Versicherer in der Pflicht, mit dem Kunden über eine solche Lösung zu sprechen und/oder entsprechende Policen auf den Weg zu bringen, um die notwendige Transparenz und damit das Vertrauen bei den Versicherten zu schaffen. Sollte der gemeinsame Kunde von vorneherein nicht ausreichend über den Einsatz von Gebrauchtteilen bei der Instandsetzung informiert worden sein, kann das negative Folgen bei der Schadensteuerung mit sich bringen. Denn nur allzu leicht kann der falsche Eindruck entstehen, dass bei gesteuerten Schäden zur vermeintlichen Billigreparatur mit Gebrauchtteilen gegriffen wird. Dieses Thema ist nicht zu unterschätzen und könnte sich auf das Vertrauen in die Schadensteuerung nachteilig auswirken. Hier muss den Kunden glasklar vermittelt werden, dass es sich nicht um eine Reparatur zweiter Klasse handelt und dass er keinerlei Nachteile in Sachen Qualität, Sicherheit oder Gewährleistung zu befürchten hat.
Kostenvorteil?
Auch ob eine Reparatur mit Gebrauchtteilen unbedingt immer günstiger ist, muss beleuchtet werden. Welche Zusatzarbeiten sind erforderlich, um das Gebrauchtteil fachgerecht zu bearbeiten? Jeder, der schon einmal Klebereste von Dichtungen entfernt hat, weiß, dass der entsprechende Arbeitsaufwand erheblich sein kann. Und so könnte man zahlreiche Beispiele für Zusatzarbeiten anführen, die bei der Verwendung von Gebrauchtteilen entstehen können, bei Neuteilen aber nicht anfallen würden. Daraus ergeben sich gleich zwei weitere, absolut relevante Fragen: Wie gehen Versicherer, Steuerer und Prüfinstitute damit um, wenn sich in der Schadenskalkulation viele Zusatzarbeiten, die durch die Verwendung von Gebrauchtteilen verursacht wurden, auftauchen? Und was passiert, wenn die Reparatur durch den Einsatz von Gebrauchtteilen teurer wird als die Verwendung eines Neuteils?
Gewährleistung?
Ist die Gewährleistung für eine Reparatur mit Gebrauchtteilen eindeutig geregelt? Ein freier Reparaturfachbetrieb kann schwerlich die Gewährleistung für ein Bauteil übernehmen, dessen Vorgeschichte er nicht kennt, von dem er nicht weiß, wie es um die Haftung der vorhandenen Lackschicht bestellt ist oder wie weit die Korrosion im Bauteil bereits fortgeschritten ist. Dieses enorme Risiko darf nicht auf die Partnerbetriebe abgewälzt werden.
Ökologischer Fußabdruck?
Bei diesem Punkt gilt es zu hinterfragen, welchen Weg das Gebrauchtteil unter welchen Umständen in die Werkstatt genommen hat. Ermöglichen weite Transportwege aus dem Ausland nach Deutschland unterm Strich tatsächlich noch eine Co2-Einsparung?
Logistik und Zuverlässigkeit?
Wie werden diese Teile für den Transport verpackt und geliefert? Wie wird angesichts der Teilevielfalt und Modellvarianten sichergestellt, dass das richtige Teil geliefert wird? Wer übernimmt dabei die Transport- und die eventuellen Rücksendekosten? Werden Gebrauchtteile mit derselben Geschwindigkeit geliefert wie Neuteile? Und wer übernimmt die Mobilitätskosten für den Kunden, wenn die ausstehende Lieferung eines Gebrauchtteils längere Standzeiten verursacht?
Fazit
Es ist absolut zu begrüßen, wenn die Reparatur von Kfz mit Gebrauchtteilen (irgendwann) tatsächlich Vorteile wie Kostenersparnis und Umweltfreundlichkeit bieten kann. An diesem Punkt sind wir allerdings nach unserer Einschätzung noch nicht. Denn auf dem Weg dahin müssen erst noch mehrere Faktoren sorgfältig abgewogen und eine ganze Reihe offene Fragen eindeutig geklärt werden. Macht es da nicht Sinn, einen Schritt nach dem anderen zu gehen, um nicht ins Stolpern zu kommen. Wir würden es deshalb sehr begrüßen, wenn einzelne Versicherer, die aktuell viel Energie in das Thema „Reparatur mit Gebrauchtteilen“ stecken, zuerst einmal aktiv das Thema „Instandsetzen vor Erneuern“ priorisieren würden. Hier gibt es noch eine Menge Potenzial, wenn man die fatalen Fehlentwicklungen bei Kostenvoranschlagsprüfungen beseitigen und damit deutliche Anreize schaffen würde, die Bereitschaft zu fachgerechter Instandsetzung zu erhöhen. Denn das Instandsetzen eines Bauteils ist in fast allen Fällen die umweltfreundlichste Variante und kann auch in vielen Fällen zu einer Kostenreduzierung führen.